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Farbe sehen, verarbeiten und reproduzieren

Teil 1: Fähigkeiten und Grenzen der visuellen Wahrnehmung

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In dieser Serie geht es darum, wie Menschen Farbe sehen, verarbeiten und reproduzieren können. Im ersten Teil gehen wir darauf ein, wie Menschen Farbe wahrnehmen und mit welchen Faktoren dieses Können zusammenhängt.

1. Licht als Grundlage für das menschliche Sehen

Verarbeitung elektromagnetischer Strahlung

Das menschliche Auge ist physikalisch dazu in der Lage, elektromagnetische Strahlung in Form von Licht mit einer Wellenlänge von ca. 400 bis 700 Nanometern wahrzunehmen. Das ist die Grundlage für unsere Wahrnehmung von Farbe. Für den Menschen ist Strahlung in diesem Wellenlängenbereich sichtbar dank Rezeptoren in der Netzhaut, deren Pigmente sich durch Licht chemisch verändern. Der überwiegende Teil der Sonnenstrahlung, die auf die Erdoberfläche trifft, liegt für den Menschen im sichtbaren Bereich und so hat sich unser Farbsehsystem im Laufe der Evolution optimal an die Gegebenheiten unserer Umwelt angepasst.

Welche Farbinformation wir empfangen, hängt von zwei wichtigen Faktoren ab: dem Wellenbereich (Spektralverteilung) der Beleuchtungsquelle und dem von der Oberfläche von Objekten reflektierten Information (Reflektanz). Nur ein Teil des auf ein Objekt fallenden Lichts wird reflektiert, der andere Teil wird absorbiert und zumeist in Form von Wärmeenergie wieder abgegeben. Somit ist das ins Auge gelangende Licht das Produkt aus Beleuchtung und Reflektanz. Sehen wir ein weißes Blatt Papier, das rot beleuchtet wird, oder umgekehrt ein rotes Blatt, welches weiß beleuchtet wird, so ist unser Farbeindruck in beiden Fällen gleich: Wir sehen rot. Obwohl physikalisch beide Varianten zur gleichen Wellenlängenverteilung führen, zieht unser visuelles System Rückschlüsse auf die Reflektanz der Objekte. Diese Leistung unseres optischen Wahrnehmungssystems wird als „Farbkonstanz“ bezeichnet, auf die wir später noch näher eingehen werden.

Farbspektrum des sichtbaren Lichts

Additive Farbmischung

Das Licht wird im Auge von zwei unterschiedlichen Photorezeptoren absorbiert, den Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen sind besonders lichtempfindlich und ermöglichen uns das Sehen bei Dunkelheit. Sie absorbieren das Licht jedoch alle gleich stark, sodass sie zwischen Wellenlänge und Intensität und damit farblich nicht unterscheiden können. Bei Tageslichtbedingungen bleiben unsere die Stäbchen daher eher untätig, verarbeiten nahezu keine Information und überlassen die Arbeit den weniger lichtempfindlichen Zapfen.

Bei den Zapfen werden drei verschiedene Arten unterschieden. Ausgehend vom Spektralbereich ihrer höchsten Empfindlichkeit sind sie lang-, mittel-, und Kurzwellenlängen-empfänglich (sensitiv) – umgangssprachlich auch Rot-, Grün- und Blauzapfen genannt. In der Abbildung sind die Absorptionsspektren der drei Zapfenarten dargestellt. Erkennbar ist, dass alle drei Zapfenarten über einen großen Wellenlängenbereich Licht absorbieren.

Bei der additiven Farbmischung wird also Lichtenergie aus verschiedenen Spektralbereichen addiert. Bei der Addition der drei Spektralbereiche Rot, Grün und Blau entsteht das komplette sichtbare Spektrum in Form weißen Lichts. Die additive Farbmischung ist daher Grundlage für unsere Display- und Kalibrierungstechnologien für den professionellen – eben farbverbindlichen – und privaten Bereich.

Die relative Empfindlichkeit der Photorezeptoren des menschlichen Auges

2. Das menschliche Auge

Physisches Sehen

Digitalkameras werden nicht ohne Grund mit dem menschlichen Auge verglichen. Linse und Iris entsprechen einem Objektiv und die Netzhaut, auf die jede Sehinformation reflektiert wird, kommt biologisch dem CCD-Chip einer Digitalkamera gleich. Bis hierher stimmt die Parallele, jedoch tritt im menschlichen Auge eine Besonderheit auf, die sich ebenfalls bei den ersten Lochkameras gezeigt hat.

 
Auf der Netzhaut steht die Welt noch Kopf

Wenn wir sehen, trifft das Licht zunächst auf die Hornhaut unseres Auges, die als Schutzschicht für das empfindliche Organ dient. Ist diese durchdrungen, gelangt das Licht in die vordere Augenkammer und weiter durch die Pupille, eine größenverstellbare öffnung, die sich je nach Lichtverhältnissen weitet oder verengt.

Danach gelangt das Licht auf die Linse, hinter der sich eine transparente viskose Flüssigkeit befindet, der sogenannte Glaskörper. Der Glaskörper füllt die Zwischenräume zwischen dem vorderen Teil des Auges und der Netzhaut aus. Auf seinem Weg durch das ganze Auge wird so aus der reinen Lichtinformation ein komplettes Bild.

 
Die Netzhaut als Schnittstelle zwischen Auge und Gehirn

Aus einer reinen Lichtinformation kann ein komplettes Bild werden, da nicht ein einzelner, sondern unzählige Lichtstrahlen auf unser Auge treffen. Diese Lichtstrahlen werden vom Auge gebündelt und als Gesamteindruck (Sehinformation) auf die Netzhaut projiziert, eben ähnlich wie bei einer Kameraaufnahme. Und hier zeigt sich die zuvor erwähnte zweite Parallele:
Linse und Glaskörper drehen das Bild zunächst auf den Kopf. Das Auge hat ab hier seinen Job erledigt. Erst das aus vielen Nervenbahnen bestehende visuelle System transportiert die Sehinformation ins Gehirn, wo sie komplett und richtig herum zusammengesetzt und verarbeitet wird.

Die Anatomie des menschlichen Auges

Hochaufgelöstes Sehen von Farbe, gegenüber eher störungsanfälligem Sehen von Licht

Unser Auge besitzt drei unterschiedlich sensitive Zapfenarten, die für die im natürlichen Farbspektrum gebündelten Lichtfarben Rot, Grün und Blau empfindlich sind. Die jeweilige Farbinformation wird ans Gehirn weitergeleitet und dort mit der entsprechenden Helligkeitsinformation der Stäbchen zu einem Gesamtbild zusammengefügt – wir sehen bunt!

Die Stäbchen reagieren allerdings auf alle Farbeindrücke gleich und sind somit nur dazu in der Lage, Helligkeitseindrücke bzw. -unterschiede wahrzunehmen und weiterzuleiten. Sähen wir allein mit Stäbchen, wäre unsere Welt schwarz-weiß. Wird ein sehr detailliertes Foto am Monitor in ein Graustufenbild umwandelt, lässt sich gut erkennen, wie viele wichtige Details durch die nicht wahrnehmbaren Farbunterschiede verschwinden würden – denken Sie z.B. an die Ampelfarben Rot und Grün!

Bei ausreichendem Tageslicht sind Zapfen und Stäbchen ein gutes Team. Mit abnehmenden Licht und in der Dämmerung übernehmen aber immer mehr die Stäbchen das Sehen. Bei Dunkelheit sind dann lediglich die Stäbchen aktiv. Das zeigt, wie störanfällig unserer Augen hinsichtlich dem reinen Sehen von Licht wirklich sind.

 
Nachbilder und Farbfehler

Weitere Beispiele für die an Stäbchen und Zapfen ungleich verteilten Fähigkeiten sind sogenannte optische Täuschungen. Zwei wichtige Beispiele dafür sind Farbfehler der Augen und so genannte Nachbilder. Wenn Sie schon einmal einige Sekunden ins helle Sonnenlicht geblickt und dann schnell die Augen geschlossen haben, so ist Ihnen sicher der helle Fleck aufgefallen, den Sie für mehr oder weniger kurze Zeit immer noch sehen konnten, obwohl die „eigentliche Lichtquelle“ ja schon verschwunden war.

Diese Nachwirkung bezeichnet man als positives Nachbild, da es einen hellen Fleck hinterlässt. Eine zweite Variante der Nachbilder sind sogenannte negative Nachbilder. Probieren Sie den Effekt doch gleich einmal aus: Fixieren Sie das untenstehende Bild für ungefähr 40 Sekunden und schauen Sie danach auf die leere Fläche rechts neben dem Bild. „Buongiorno!“ – Sie erkennen für kurze Zeit die italienische Flagge!

Negativ der italienischen Flagge

Negative Nachbilder entstehen durch die Ermüdung einiger Photorezeptoren.Wenn diese für längere Zeit permanent dem gleichen Reiz ausgesetzt sind, erschöpft ihr Potential und sie werden inaktiv. Blickt man nun auf eine weisse Fläche, arbeiten die „noch fitten“ Rezeptoren ganz normal, die „müden“ jedoch senden ein inaktives Signal zum Gehirn. So entsteht ein imaginäres Bild in den Komplementärfarben des Originalbildes.

Wie positive Nachbilder entstehen, ist weitgehend unklar. Man vermutet, dass sich die Photorezeptoren an den hellen Reiz gewöhnen und die Lichtempfindung für kurze Zeit weiter andauert. Durch diesen Effekt sehen wir die Einzelbilder (Frames) von hochaufgelösten Kinoproduktionen beispielsweise als zusammenhängenden Film.

3. Physische Grenzen des menschlichen Sehens

Farbkonstanz und Farbvarianz

Als Farbkonstanz bezeichnet man die „wahrgenommene Stabilität einer Objektfarbe unter verschiedenen Beleuchtungsumgebungen“. Eine Zitrone erscheint uns gelb, unabhängig davon, ob wir diese bei Tageslicht, unter einer Glühbirne oder dem Licht einer Fluoreszenzlampe betrachten (Kandel et al., 1995). Solange wir nichts über die Umgebung der Zitrone wissen, müsste diese aufgrund des von ihr reflektierten Lichtes, bzw. dessen Wellenlängenzusammensetzung verschiedene Farben annehmen. Bei Sonnenlicht erschiene die Zitrone demnach weißlich, unter einer Glühbirne rötlich und unter einer Fluoreszenzlampe bläulich.

Die wahrgenommene Farbkonstanz wird an einem Foto von Erdbeeren mit unterschiedlichen Belichtungen deutlich

Wir nehmen Erdbeeren als rot wahr, ganz gleich ob bei Sonnenlicht (links: Originalaufnahme), im Licht einer Glühbirne statt eigentlich orange (Mitte: simuliert durch Farbfilter) oder im Licht einer Fluoreszenzlampe statt eigentlich violett (rechts: simuliert mittels Farbfilter). Die Plastikschalen dienen hierbei als Vergleichsobjekte. Dass ein Objekt in der Regel seine ungefähre Farbe beibehält, ist erstaunlich, da erhebliche Schwankungen der Spektralverteilung der Umgebungsbeleuchtung (Sonnenschein vs. Glühbirne) auftreten. Diese Schwankungen führen dazu, dass auch das Objekt ganz unterschiedliche Wellenlängen des Lichtes reflektiert. Dennoch erscheint uns die Zitrone in gelber Farbe.

Die Farbkonstanz wird allgemein damit erklärt, dass das menschliche Gehirn die Informationen, die es aus der Wellenlängenzusammensetzung des reflektierten Lichtes eines Objektes und seiner Umgebung erhält, getrennt vom biochemischen Sehprozess weiterverarbeitet. Während dieses Verarbeitungsprozesses werden Neuronen im menschlichen Gehirn angesprochen, deren Resonanz dem subjektiven Farbeindruck eines Objektes entspricht und eben nicht mehr allein der Wellenlängenzusammensetzung des von einem Objekt reflektierten Lichtes. Bereits hier werden erste Assoziationsmuster in unserem Gehirn abgerufen.

 
Optische Täuschungen – „Was gelingt dem Auge nicht?“

Sehen bedeutet also nicht, die „Realität“ 1:1 ins Gehirn zu übertragen, bzw. zu spiegeln. Unser Sehen ist ein effektiver Prozess, in dem das Auge filtert, strukturiert und sortiert. Dann und wann gehen dabei aber Informationen verloren, werden verfälscht, oder es werden kurzerhand welche dazu gedacht. Das lässt sich anhand von optischen Täuschungen sehr gut nachvollziehen.

Eine „visuelle Illusion“ oder optische Täuschung entsteht, weil unser Gehirn mithilfe eigener Erfahrung versucht, ein wahrgenommenes Bild zu erkennen bzw. zu deuten. Es ruft Assoziationsmuster ab! Was eigentlich sehr nützlich scheint, führt in manchen Fällen allerdings zu Verwirrung. Ein zweidimensionales Bild wird dreidimensional erfasst und wir ziehen falsche Rückschlüsse über Objekte, die wir sehen.

Unser Gehirn ist bestrebt, eine Verbindung zwischen den wahrgenommenen Objekten zu erkennen. So werden etwa gerade Linien als schief wahrgenommen oder eine Figur erscheint durch perspektivische Darstellung z.B. kleiner als eine andere, obwohl beide gleich groß sind. Auch Farben werden unterschiedlich erfasst. Je nach Hintergrund können sie heller oder dunkler wirken. Unser Gehirn gibt also vor, Dinge zu sehen, die es überhaupt nicht gibt.

4. Überlisten Sie Ihr visuelles System!

Optische Illusion: die beiden roten Kreise sind gleich groß

Wir bewerten Dinge abhängig zu anderen

Die beiden roten Kugeln sind gleich groß. Dadurch, dass die linke von größeren Kugeln umgeben ist und die rechte von kleineren, wirkt die linke Kugel kleiner.

Optische Illusion: die Quadrate sind nicht gekrümmt

Störung des Gesamteindrucks

Die Trennlinien zwischen den großen Quadraten wirken durch die viel kleineren weißen in den Ecken der schwarzen Quadrate wie gekrümmt.

Optische Illusion: Die grauen Farbflächen A und B sind gleich hell

Gleiche Farben erscheinen heller oder dunkler

Fläche A ist viel dunkler als B? – eine optische Täuschung. Es scheint nur so, weil wir uns am Schachbrettmuster orientieren und der grüne Körper für einen Schatteneffekt sorgt. Die Flächen sind gleichfarbig.

Optische Illusion: man sieht kleine schwarze Punkte, die gar nicht auf dem Bild zu sehen sind

Dinge sehen, die es überhaupt nicht gibt?

Verstärkung von Kontrasten: Auf dieser Abbildung scheinen sich an den Stellen dunkle Flecken zu befinden, wo sich die grauen Linien kreuzen.

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